Die Sozialstruktur der Städte Südwestkleinasiens
FWF-Projekt T 1284 (Hertha Firnberg-Programm)
Laufzeit: 08/2023–07/2026
Projektleitung: Karin WIEDERGUT
Mentor: Peter KRUSCHWITZ
Kooperationspartner: Thomas CORSTEN (Wien), Sabine HUEBNER (Basel), Georgy KANTOR (Oxford), Helmut LOTZ (Wien), Bernhard WOYTEK (Wien), Arjan ZUIDERHOEK (Gent)
Die Annahme, dass die antike Gesellschaft sich nur aus (wenigen) Reichen und (vielen) Armen zusammensetzte, gilt lange als überholt. Die „Sub-Eliten“ oder „middle classes“, also jene, die unterhalb der politischen Führungsschicht der Städte angesiedelt waren, sich aber von jenen abhoben, die wirtschaftlich „von Tag zu Tag“ existierten, gerät in den letzten Jahrzehnten verstärkt in den Fokus der internationalen Forschung. Das vorliegende Projekt leistet einen Beitrag zu jenen Bemühungen, die versuchen, diesen Teilen der städtischen Bevölkerung ein Gesicht zu verleihen: Wie setzte sich die antike „Mittelschicht“ zusammen, wer gehörte ihr an? Welche Größe ist für sie anzunehmen? Wie gestaltete sich soziale Mobilität in die Mitte und aus ihr heraus? Und: Wie lässt sich die Mitte der Gesellschaft überhaupt erkennen, wenn ihre Mitglieder üblicherweise die waren, über die unsere Quellen schweigen?
Das Projekt legt den Fokus auf die Städte des antiken Südwestkleinasien in der römischen Kaiserzeit, im Besonderen auf die Provinzen Asia und Lycia et Pamphylia. Dies ist der dort besonders günstigen Quellensituation geschuldet, die sowohl kontextualisierte Detailarbeit an einzelnen, besonders aussagekräftigen Inschriften als auch quantitative Auswertungen möglich macht. Dies betrifft maßgeblich die zahlreichen Vorsorge-Grabinschriften der Region, deren Potenzial ebenso erst in den letzten Jahren zunehmend erkannt wird: Sie bilden keine reinen Zeugnisse des Totengedenkens, sondern liefern vielmehr wesentliche Informationen zu urbanen Familienstrukturen, innerfamiliären Dynamiken und Erwartungen und wirtschaftlichen Selbsteinordnungen der Grabgründer und -gründerinnen. So tragen sie ihren Teil zur Bestätigung der lange propagierten Annahme bei, dass die römische Kaiserzeit eine Phase des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Aufschwungs war – und dies nicht nur für die Eliten.
Das Bild, das im Verlauf des Projekts entstehen soll, will vor allem zu unserem Verständnis von der Zusammensetzung urbaner Gesellschaften und dem Phänomen sozialer Mobilität beitragen. Der wichtigste Platz gehört dabei der „Mitte der Gesellschaft“.