Objekt des Monats November 2012

Foto: R. Steyer

Grabstein des Aurelius Iustinus

Gipsabguss
Original: Celje, Pokrajinski Muzej (Regionalmuseum), Inv.Nr. 171
Maße: H 118 cm; B 73 cm; T 12,5 cm

1835 ließ der Gymnasialprofessor Johann Küttel zahlreiche antike Denkmäler im Einfahrtsbereich seines Hauses (dem sog. „Antikentor“) in Cilli, dem antiken Celeia und heutigen Celje in Slowenien, einmauern, darunter auch einen marmornen Grabstein, der im unteren Teil eine lateinische Inschrift trägt:

D M / AVR IVSTINO MILITI / LEG II ITAL Θ IN EXP / DACCISCA AN XXIII / AVR VERINVS VET ET / MESS QUARTINA PA/RENTES FECERVNT

D(is) M(anibus). Aur(elio) Iustino militi leg(ionis) II Ital(icae) (thetato) in exp(editione) Daccisca an(norum) XXIII. Aur(elius) Verinus vet(eranus) et Mess(ia) Quartina parentes fecerunt.

Die früheste Erwähnung dieser Inschrift geht auf den Historiker Raimund Duellius (1694–1769) zurück, Augustinerchorherr des Stiftes St. Pölten, der sie auf einer seiner Reisen im 18. Jahrhundert im damaligen Cilli gesehen und kopiert hat. Die Inschrift informiert uns darüber, dass es sich bei diesem Monument um den Grabstein eines jungen Mannes von 23 Jahren handelt. Er hieß Aurelius Iustinus, war Soldat der legio II Italica, deren Stammlager sich zur fraglichen Zeit in Lauriacum (Lorch) befand, und starb während eines Feldzuges gegen „Daker“, also Völkerschaften, die im östlichen Donau- und Karpatenraum (in etwa im Gebiet des heutigen Rumänien) siedelten, wo sich damals auch die römische Provinz Dakien (im wesentlichen die heutigen Landschaften Siebenbürgen, Banat und Oltenien) befand. Stifter des Grabmonuments sind die Eltern des Verstorbenen: der Veteran Aurelius Verinus und seine Frau Messia Quartina. Sie ließen in den oberen Teil des Steines die Halbfigur eines jungen, bartlosen Mannes meißeln, der mit einer Ärmeltunica und einem wollenen Umhang mit Fransen bekleidet ist. In seiner linken Hand hält er den Knauf eines Schwertes, auf den er zwei Finger der rechten Hand gelegt hat. Hinter ihm sind ein ovaler Schild und eine Lanze zu sehen.

Wann Aurelius Iustinus verstorben ist und der Grabstein errichtet wurde, ist ungewiss. Anhaltspunkte bieten die Aushebung der legio II Italica durch Marc Aurel 165/166 n. Chr. und das nomen gentile Aurelius, das auf die Zeit nach der constitutio Antoniniana weisen könnte, eine von Caracalla erlassene Verordnung, die allen freien Bewohnern des Römischen Reiches im Jahr 212 n. Chr. das römische Bürgerrecht verlieh. Es ist aber auch denkbar, daß Iustinus’ Vater Verinus oder dessen Vorfahren das Bürgerrecht bereits unter Marc Aurel erlangt hatten. Mit der in der Inschrift erwähnten expeditio Dacisca ist vermutlich der Feldzug des Soldatenkaisers Maximinus Thrax gegen Völkerschaften jenseits der Donau im östlichen Karpatenraum in den Jahren 236/237 n. Chr. gemeint. Aurelius Iustinus wäre demnach um 213/214 n. Chr. geboren worden und hätte seinen Militärdienst ca. 231–234 n. Chr. angetreten.

Die Geschichte des Gipsabgusses konnte erst jüngst in Kooperation mit Mitarbeitern des Projekts InterArch-Steiermark aufgrund von Archivalien geklärt werden. Der Abguss wurde demnach im Jahr 1883 zusammen mit anderen prominenten antiken Funden aus Celeia aus Anlass der in Graz veranstalteten „Ausstellung culturhistorischer Gegenstände“ zur Feier der 600jährigen Regierung des Hauses Habsburg angefertigt. Die Gipse und Formen dieser Antiken wurden zuerst vom Joanneum übernommen. Wenige Wochen später kaufte jedoch Wilhelm Gurlitt (1844-1905), Professor für Klassische Archäologie an der Universität Graz und Leiter des dortigen 'Archäologischen Cabinets', dem Joanneum die Gipsformen ab, um durch den Verkauf von Abgüssen Einnahmen für seine Sammlung zu lukrieren. Im Februar 1885 gelangte schließlich der Abguss des Grabsteins des Aurelius Iustinus nach Wien.

Text: Ass.-Prof. Mag. Dr. Hubert Szemethy und Prof. Dr. Fritz Mitthof
Foto: René Steyer